Nando von Arb | Edition Moderne
Das Aufwachsen in einer Patchworkfamilie ist nichts Außergewöhnliches mehr. Fast jedes zweite Kind in Mitteleuropa erlebt die Trennung seiner Eltern. Und auch, dass nach einer solchen Veränderung der Familiensituation mehr als eine neue Bezugsperson auftaucht, ist nicht gerade eine Seltenheit. Das Besondere an Nando von Arbs Geschichte 3 Väter ist die Art und Weise, wie er dieses Setting präsentiert: aus der Perspektive des Kindes, das zugleich der Ich-Erzähler ist, und mit Zeichnungen, wie man sie so in einem Comic noch nicht gesehen hat.
Von Arbs Graphic Novel hält sich nicht an die dafür übliche Struktur, also an eine Erzählung in gerahmten Bildern, sogenannten Panels. Seine Figuren sprengen den Rahmen. Sie entstehen aus Sicht des Kindes, groß, massig, ausufernd und fast immer verzerrt. Da erscheint es beinahe selbstverständlich, dass die Figuren auch Tiere sein können, die Mutter ein Vogel mit beschützenden Flügeln und immer zerbrechlicher Statur. Aus dieser Kinderperspektive erwächst ein Arsenal an Figuren, das dem Geschehen zum einen eine Erklärbarkeit verleiht, nach der sich ein Kind doch immer auch sehnt, zum anderen verweist es ganz offen auf den Irrsinn des modernen Familienlebens. Von Arb thematisiert diese Bewältigung der Wirklichkeit durch die Mittel der Kunst, des Zeichnens, fast beiläufig und sehr plausibel.
Am Anfang steht die Trennung der Eltern. Die Mutter am Boden, sie droht vor Schmerz zu zerfließen. Kiko, einst von der Mutter zurückgewiesener Liebhaber, erkämpft sich seinen Platz in der neuen Familienkonstellation. Die Kinder lieben seinen Humor, seine Energie, mit Kiko ist immer was los, „gut für die Kinder“. Aber die Mutter bleibt distanziert, an ihre Trauer reicht er nicht heran. Dann tritt Zelo auf den Plan, unterstützt vom sich sorgenden Kind. Ein Fels von einem Mann, ruhig, stabil aber mit begrenzten empathischen Fähigkeiten. Und schließlich ist da der leibliche Vater des Kindes. Er hat die Familie verlassen, fortan sind seine Auftritte, seine Bemühungen mit Schuld infiziert, mal direkt ausgesprochen, mal in Form des berühmten schlechten Gewissens.
Nando von Arb zeigt das Drama dieser neuen Familiengeschichten aus der Perspektive dessen, der sich zurechtzufinden versucht und dem das ganz gut gelingt, spürbar angetrieben von dem kindlichen Verlangen nach Normalität. Für diese fortwährende Bemühung um Adaption findet er Bilder und Sequenzen die originell und nicht selten auch sehr lustig sind.
3 Väter ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Es ist auch dem schweizerischen System der Literaturförderung zu verdanken, dass der Verlag ein so großzügig ausgestattetes Erstlingswerk vorstellt. 300 Seiten, gelegentlich mit nur einer Zeichnung versehen, durchsetzt mit farbigem Papier, dazu 3 Lesebändchen (ein schöner Gag). Von Arb bekommt den Raum auf dem Papier, den seine Geschichte unbedingt braucht, denn 3 Väter schildert die Suche nach genau so einem Raum, nach einer Konstruktion, die die Kindheit zu dem macht, was sie doch sein sollte: die schönste Zeit im Leben.