Posy Simmonds: Cassandra Darke

Buchbesprechung 2020

Tamara Drewe. Gemma Bovary. Cassandra Darke. Es klingt, als gehörten diese Namen zusammen, ein Muster vielleicht. Dahinter steckt ein vierter Name, Posy Simmonds. In Deutschland ist Simmonds vielleicht wegen ihrer Kinderbücher bekannt (Lulu im Museum), vor allem aber wegen zweier Filme. Sie lieferte die Vorlage zu Tamara Drewe, verfilmt von Stephen Frears und Gemma Bovary (Regie Anne Fontaine). Posy Simmonds schreibt und zeichnet Comics.

Geboren 1945 in Bershire, England studierte zunächst Kunst in Paris danach Grafik in London. Ende der 60er Jahre begann sie, klassisch, Strips für Zeitungen zu schreiben. Sie landete beim renommierten „Guardian“ und ihre Karriere nahm Fahrt auf. 2009 wurde Tamara Drewe mit dem Kritikerpreis beim wichtigsten Comicfestival in Angoulême ausgezeichnet. Inzwischen darf man sie durchaus als große alte Dame des britischen Comics bezeichnen. Was aber keinesfalls bedeutet, dass sie mit ihrer neuesten Geschichte altersmild geworden wäre.

Die Titelheldin Cassandra Darke ist eine Misanthropin, eine ewig grantelnde Kunsthändlerin, die kurz vor ihrem Ruhestand wegen Betrugs verurteilt wird.  Über ihre Nichte Nicki, eine reichlich desorientierte Aktionskünstlerin, gerät sie in einen komplizierten Mordfall. Dieser hilft ihr ganz unsentimental einen Sinn in ihrem Leben zu entdecken, das bis zu den turbulenten Ereignissen eigentlich nur noch aus Essen, viel Trinken und gelegentlichen Urlauben in französischen Luxushotels besteht. Die korpulente Dame hat dabei längst ihre Empathie für ihre Mitmenschen verloren, nicht aber ihren scharfen Blick, der ihr für die Entdeckung verlorener Kunstwerke ebenso nützlich ist wie für die kriminalistische Analyse scheinbar unzusammenhängender Indizien.

Simmonds Stil ist unverkennbar. Sie montiert verschiedene Verfahren zu einer eigenwilligen, aber sehr kurzweiligen Erzählung. Die klassische Textform wird mit atmosphärisch dichten Bildern illustriert, dann übernehmen Comicpanels die Erzählung, dazwischen sind Zeitungsartikel oder ein Screenshot von YouTube eingefügt, je nachdem, was die Geschichte verlangt. Auch ihre Zeichnungen sind unterschiedlich ausgearbeitet, rohe Skizzen, ökonomische Panels oder ganzseitige Kompositionen des winterlichen Londons. Vor allem aber ist es der trockene, wohl recht eindeutig britisch zu nennende Humor, die wohlgesetzten Spitzen gegen eine arrogante Kunstwelt, der diese Graphic Novel zu so einem Vergnügen macht.

Erschienen im Reprodukt Verlag

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